5 Jahre CinéMayence - 15 Jahre AG Stadtkino e.V.

(Archiv/Stand: 2000)

CineMayence Logo

Kulturpolitische Position des Bundesverband kommunale Filmarbeit e.V.


1. Veränderungen auf dem Kinomarkt

Mit dem flächenmäßigen Bau von Multiplex-Kinos hat auf dem Kinomarkt ein Verdrängungswettbewerb begonnen, der mehr Verlierer als Gewinner haben wird. Verlierer sind in jedem Fall schon jetzt die kleinen lokalen Kinocenter ("Schachtelkinos"), auf mittlere Sicht werden einige Programmkinos nicht überleben und natürlich werden angesichts des Overscreenings auch Multiplexe selbst zu Investitionsruinen werden. Zu diesem Prozeß, der im Moment in vollem Gange ist und in ca. 5 Jahren vorläufig abgeschlossen sein wird, kommt der Prozeß der technologischen Umwälzungen: auf absehbare Zeit (20 Jahre?) wird das Kino digital bespielt werden, d.h. Filmkopien werden durch elektronische Träger ersetzt und Kinos wie Privatfernseher Über Kabel beliefert werden.
Damit werden die bisher unterschiedlichen Medien Film und TV näher aneinanderrücken, was auch die Eigentumsverhältnisse beeinflussen wird. Das Beispiel "Kinowelt" ist ein deutliches Indiz für diese Entwicklung: Filmverleih, Kinobetrieb und Fernseh-Sportrechte-Verwertung sind in einer Aktiengesellschaft zusammengefaßt, die nebenbei andere kleine Verleiher schluckt (Pandora, Arsenal). Ähnlich wie auf dem Automarkt werden fast nur noch multinationale Konzerne den Kino-Kuchen unter sich aufteilen. Neben den Hollywood-Major Companies werden dies nur wenige europaweit orientierte Firmen oder Firmenkomplexe sein.

2. Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen

In ähnlicher Weise ist die Veränderung der politischen Rahmenbedingungen im Gange. Von der Bundes- bis zur kommunalen Ebene findet ein Prozeß statt, der ein anderes Verständnis von Förderungspolitik beinhaltet: unterstützt werden jetzt Großereignisse und Institutionen, die ohnehin erfolgsträchtig sind. Kleinere Einrichtungen, die auf Unterstützung angewiesen sind, fallen zunehmend durch die Ritzen. Diese Politik durchzieht alle Bereiche, am Beispiel Bundesbahn ist sie mustergültig zu beobachten: der Nahverkehr wird trockengelegt, während für den ICE sprichwörtlich alles getan wird.
In der Kulturpolitik ist deutlich, daß neben der wieder abflachenden Musical-Welle jede Stadt nach einem Musik-Festival oder ähnlichen Großereignissen greift; dabei sind bekannte Namen gefragt, für die jeder Preis bezahlt wird. Hauptzielgruppe sind nicht mehr die Bürger der Stadt selbst, sondern Touristen, die in Bussen angekarrt werden und die Hotelbetten anwärmen sollen. Inhalte verschwinden hinter der Notwendigkeit von überregionaler Repräsentanz und dem schnöden Mammon.
Im institutionellen Bereich werden die etablierten Theater und Museen weiterhin unterstützt werden, verbunden mit dem Druck, überregional repräsentative Ausstellungen bzw. Aufführungen durchzuführen. Nur wenn sich bei Cézanne, Liebermann, Gauguin, Hopper oder enthäuteten Menschen die Schlangen vor der Tür einfinden, kann auch `mal wieder ein Werk eines jungen Malers, einer jungen Malerin, eingekauft werden.

3. Konsequenzen für die kommunale Filmarbeit

Was heißt das für uns, sitzen wir besser im ICE oder sollen wir doch eher den Nahverkehrszug nehmen? Meines Erachtens müssen wir die Flexibilität für beides gewinnen: es führt kein Weg daran vorbei, daß wir uns etablieren, daß wir in jeder Stadt eine anerkannte und bekannte Institution sind, die dennoch engagierte und kritische Arbeit leistet. (...)
Zum einen gilt es, ein Profil zu entwickeln (bzw. zu behalten), das uns von den kommerziellen Kinos deutlich unterscheidet, d.h. on the long run haben wir - auf jeden Fall in den großen Städten - nur als FilmKUNSTkinos eine Chance zum Überleben. (...)
Da in den kleineren Städten ebenfalls Multiplexe gebaut werden, müssen die Kommunalen Kinos dort die Funktion von Programmkinos mit übernehmen.
Auch unter den Bedingungen des digitalen Kinos wird der klassische 35mm-Film weiterexistieren: nicht nur was die Vergangenheit (Filmgeschichte) betrifft, sondern auch zukünftig wird es noch eine gute Zeitlang dauern, bis alle Produzenten die technologischen und finanziellen Mittel haben werden, Filme digital zu produzieren.
Von daher wird das systematische Sammeln von Filmkopien zunehmend eine der wichtigsten Aufgaben der (großen) Kommunalen Kinos sein; damit verbunden ist natürlich, daß die Filme der Öffentlichkeit einer Stadt präsentiert werden.
Aus unseren Erfahrungen in Bremen schließe ich, daß mehr finanzielle Mittel für Öffentlichkeitsarbeit bereitgestellt werden sollten, die evtl. bei Programmkosten eingespart werden können.
Mittelfristig müssen wir in den Kommunen durchsetzen, daß die Standardbesetzung eines Kommunalen Kinos wie folgt aussieht: 1 bis 3 Programmverantwortliche (je nach Größe des Kinos), 1 hauptamtlicher Techniker, 1 Finanzexperte und 1 Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit. (...)
Ich schließe auch nicht aus, daß ein einheitliches Erscheinungsbild der Kommunalen Kinos auf Bundesebene nötig sein wird, damit das Label "Kommunale Kinos" als solches mehr Wahrnehmung bekommt. Durch zentral organisierte Filmprogramme wird diese Überlegung zusätzlich relevant.

Karl-Heinz Schmid
(1. Vorsitzender des Bundesverband kommunale Filmarbeit e.V.)


Zur Jubiläumsübersicht   Zum: CinéMayence Spielplan