Kultursommer 2016
1. Einführung
2. Programm Tag für Tag
»Kino... mit Vergnügen!«
Juni 2016 im CinéMayence, Mainz
Das Juni-Programm des Kommunalen Kinos CinéMayence steht ganz im Zeichen des Kultursommer Rheinland-Pfalz, dem wir zu seinem 25. Geburtstag gratulieren.
In Anlehnung an das Motto des Jubiläumsjahres Sommer des Vergnügens laden wir zu einem abwechslungsreichen Programm mit Komödien, Vergnüglichem und Satiren ein. Skurrile und ironische Elemente gehören ebenso dazu, wie eine Erinnerung an 100 Jahre Dada.
Mit Die fabelhafte Welt der Amélie (2.6.) und Ziemlich beste Freunde (3.6.) bringen wir zwei vergnügliche französische Spielfilme erneut auf die Leinwand.
Mit DEUTSCHLAND DADA (18.6.) von Helmut Herbst aus dem Jahr 1969 bringen wir einen Filmklassiker, in dem es unter anderem auch um den Pirmasenser Dadaisten Hugo Ball geht. Mit großer Wahrscheinlichkeit wir Helmut Herbst zur Vorstellung kommen und auch noch einen passenden Kurzfilm aus den 60er Jahren mitbringen.
Zwei Filme des Programms kamen im letzten Jahr heraus, sind aber Mainzer Erstaufführungen:
Der deutsche Spielfilm Finsterworld (23. – 26.6.) könnte in seiner skurrilen Absurdität als zeitgenössischer DADA-Film bezeichnet werden.
Die Kirche bleibt im Dorf 2 (9. – 11.6.) ist eine schwäbische Komödie mit dem Ensemble der gleichnamigen SWR-Serie. Der Mainzer Chef-Kameramann des Films, Thomas Vollmar, wird zur Vorstellung am 11. Juni ins CinéMayence kommen.
Zum Kultursommer-Programm gehören aber auch zwei ganz neue deutsche Filme:
Der Spielfilm Happy Hour (4. – 8.6.) von Franz Müller ist eine Komödie, in der ein Männer-Trio eine Auszeit in Irland nimmt und sich keiner Peinlichkeit zu schade ist.
Der Dokumentarfilm Wer hat Angst vor Sibylle Berg (29. – 22.6.) porträtiert die Schriftstellerin und Bühnenautorin Sibylle Berg und ihre künstlerische Umgebung, zu der unter anderem Katja Riemann und Olli Schulz gehören. Der Film bringt die Programmfarbe Ironie ins Spiel...
Auf ganz andere Art und Weise vergnüglich und mitreißend ist das Porträt des ‚verrückten’ Dub- und Reggae-Veteranen Lee ‚Scratch’ Perry. Der deutsche Dokumentarfilmemacher (und Lee Perry Fan) Volker Schaner folgte dem einflussreichen jamaikanischen Musiker und Schamanen über Jahr hinweg bei der Arbeit in Studios und Konzert-Auftritten in vielen Ländern. Besonders viel Spaß macht auch die Gestaltung des Films Perry's Vision of Paradise (12. – 14.6.), die in mehreren Bildebenen auch Trick- und Animations-Elemente einbindet.
Auf besonderen Wunsch des Ensembles des Staatstheaters Mainz zeigen wir, ebenfalls in Erstaufführung, den Dokumentarfilm Die Prüfung (15. – 17.6.) über die, zwar wie in Fernsehshows dramatisch-emotionalen, aber doch ganz anderen Castings bei der Aufnahme zu einer Schauspiel-Schule. Chef-Dramaturg Jörg Vorhaben wird mit einer Schauspielerin am Staatstheater Mainz nach der ersten Vorführung ein Gespräch zum Thema anbieten.
Eintrittspreis Filme: 5,00 € (normal), 4,00 € (ermäßigt)
Aufschlag bei Überlängen und besonderen Ereignissen.
Die Programmreihe wird gefördert von
Kultursommer Rheinland-Pfalz der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur
Konzept/Kurator: Reinhard W. Wolf
CinéMayence im
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Programm Tag für Tag
Do 2., 20:30 Uhr
Film français
Le fabuleux destin d'Amélie Poulain (Die fabelhafte Welt der Amélie)
Spielfilm von Jean-Pierre Jeunet, F 2001, 122 Min., OmU
D: Audrey Tautou, Mathieu Kassovitz, Rufus, Yolande Moreau u.a.
Eine schüchterne Kellnerin träumt sich durch den tristen Alltag im Pariser Stadtteil Montmartre.
Amélie (Audrey Tautou) lebt in ihrer eigenen fabelhaften Welt. Sie hat ein Auge für Details, die anderen entgehen, und einen Blick für magische Momente, die flüchtiger sind als ein Wimpernschlag. Als sie beschließt, als gute Fee in das Leben ihrer Mitmenschen zu treten, schickt sie einen Gartenzwerg auf Weltreise, zaubert verschollene Liebesbriefe wieder herbei und wird zum Schutz- und Racheengel in einer Person. Nur wenn es um ihr eigenes Glück geht, steht Amélie sich selbst im Weg – bis ihr ein guter Geist auf die Sprünge hilft ...
Audrey Tautou eilt bei Jeunet mit ihrem pechschwarzen Bubikopf durch die Gassen von Montmartre und scheint mit ihren dunklen Augen all das Leid unserer Welt in sich aufzusaugen scheint, um sogleich einen melancholisch eingefärbten Schleier des Glücks darüber zu legen. Für ein Lächeln ihrer Amélie ist aller (Liebes- und Welt-) Schmerz für Momente vergessen.
»Das Märchen von der bezaubernden Amélie ist eine perfekt designte Bilder-Droge, die heftigste Glücksgefühle beschert. Jeunet, dessen Schule Cartoons und Animationsfilme waren, bedient sich virtuos der Clip-Ästhetik und bearbeitet den Zuschauer mit einem Stakkato an witzig-kuriosen Einfällen, mit präzis getimtem Augenzwinkern im Zehntelsekunden-Takt. In seiner Heldin beschwört er die zentrale Phobie des medial umzingelten Menschen: die panische Angst davor, dass die Wirklichkeit etwas anderes sein könnte als ein blankpoliertes Bild (...)« (Rainer Gansera, epd Film 8/2001)
Fr 3., 20:30 Uhr
Psychoanalytiker stellen Filme vor
Ziemlich beste Freunde
Regie: Olivier Nakache & Èric Toledano, F 2011, 112 Min., dt. Fassung
Der vermögende Philippe ist seit einem Paragliding-Unfall vom dritten Halswirbelkörper an abwärts gelähmt. Driss, der gerade eine sechsmonatige Haft wegen eines Raubüberfalls abgesessen hat, wird seine neue Pflegekraft. Philippe zeigt sich von Driss beeindruckt, weil dieser kein Mitleid mit ihm hat und sich über seine körperliche Behinderung amüsiert.
In der Differenz zwischen dem deutschen Titel des Films und dem französischen Originaltitel (Les Intouchables - Die Unberührbaren) lässt sich bereits ein Spannungsbogen dieser Filmkomödie voller Taubbrüche erahnen die den Zuschauer zum Schmunzeln bringt und die gerade dadurch den Zugang und die Konfrontation mit dem Zerbrochenen, schwer Erträglichen scheinbar spielerisch meistert.
Dass diese Komödie analog Freuds Beschreibung der „Technik des Witzes“ dennoch gegen eine innere Zensur verstößt und diese zu verbergen sucht, kann dabei nicht übersehen werden. Jedoch anders als ein Traum, der etwas verschlüsselt, verfolgt der Witz dieser Komödie letztlich das Ziel, etwas offenzulegen. (Christoph Lohmeier-Zenz).
In Kooperation mit dem Mainzer Psychoanalytischen Institut.
Eintritt: 6,50 € / 4,50 € (ermäßigt)
Filmanalyse nach dem Film: Dipl.-Psych. Christoph Lohmeier-Zenz
Sa 4. - Mi 8., 20:30 Uhr
Neues deutsches Kino / Komödie
Happy Hour
Spielfilm von Franz Müller, D/Irland 2015, 95 Min.
D: Alexander Hörbe, Simon Licht, Mehdi Nebbou
Ein ungleiches Männer-Trio fliegt zu einem Kurztrip nach Irland, wo sie es in rauer Natur ordentlich krachen lassen wollen. Denn in Irland ist das Leben noch frei: Kühe, Guinness, Regen, Whiskey, Frauen und noch mehr Guinness. Hier kann man Angeln, Party machen und nackt Holz hacken. Hier kann man die gemeinsame Jugend wiederaufleben lassen – hier kann man endlich wieder der Mann sein, der Mann immer war.
Doch mit ihrer Spießigkeit und Lethargie stehen sie sich meist selbst im Wege. Und als dann noch die irischen Frauen ins Spiel kommen, sieht sich jeder der Dreien plötzlich vor ganz eigene Aufgaben gestellt. Die in fester Rollenverteilung erstarrte Freundschaft wird auf die Probe gestellt.
Die drei Archetypen des Softies, des Machos und des Besserwissers werden in ihrem Selbstvertrauen erschüttert und versuchen mühsam, sich selbst und das Leben neu zu verstehen.
HAPPY HOUR zeigt auf gut gelaunte Art und Weise Männer am Tiefpunkt, die ihre Kauzigkeiten kultiviert haben. Und die bei allen Marotten lebensnah und liebenswert, aber oft genug auch einfach nur peinlich sind, wenn sie unter sich sind und ohne Frauen alleine gelassen werden.
Regie-Statement
»Es geht um die Freundschaft dreier Menschen und darum, wie alle bemüht sind, dieses Bild ihrer Freundschaft aufrechtzuerhalten, auch wenn sich längst vieles verschoben hat. Wie selbst innerhalb dieser gewachsenen alten Freundschaft jeder meint, den Anderen gegenüber ein gutes Bild abgeben zu müssen, eine gute Figur zu machen. Notfalls so lange, bis es nicht mehr auszuhalten ist. „Zusammen allein“ könnte die Geschichte auch heißen, wenn da nicht gleichzeitig viel Humor im Spiel wäre.« (Franz Müller)
Do 9. - Sa 11., 20:30 Uhr
Neues schwäbisches Kino / Komödie
TÄTERÄTÄÄ! Die Kirche bleibt im Dorf 2
Spielfilm von Ulrike Grote, D 2015, 95 Min., schwäbOF
D: Natalia Wörner, Karoline Eichhorn, Hans Löw, Julia Nachtmann, Christian Pätzold, Stefan Schad u.a.
Am Sa, 11.6. mit Kameramann Thomas Vollmar aus Mainz
Ein Dorf im Schwabenland: obwohl sie sich zur Rettung ihrer Kirche schon einmal zusammengerauft haben, sind sie sich schon wieder spinnefeind, die Ober- und Unterrieslinger – wegen jedem Mist. Und diverse Liebschaften zwischen den Familien Häberle und Rossbauer sind auch nicht gerade sattelfest. Aber jetzt wirds ernst: Das Kirchendach über dem Pfarrer Schäuble ist zusammengekracht. Und das Geld, das die Rieslinger gesammelt haben, hat der durstige Oberhirte einfach versoffen.
Von der Bank gibt es keinen Kredit. Eine Chance taucht auf, als in Hamburg ein Musikkapellen-Wettbewerb ausgeschrieben wird. Wenn die Rieslinger den Wettstreit gewinnen, dann sind sie alle finanziellen Sorgen los. Doch dafür müssen sich die Rockband aus Unterrieslingen und die Blaskapelle aus Oberrieslingen zusammentun...
Die Kinokomödie ist die Fortsetzung des Pilotfilms zur gleichnamigen SWR-Fernsehserie mit dem selben Schauspieler-Ensemble in ihrem heimatlichen Dialekt. Chef-Kameramann des Films ist Thomas Vollmar, der bei Kontrastfilm in Mainz ansässig ist und am 11. Juni nach dem Film zu einem Gespräch kommt.
Aus einem Interview mit Natalia Wörner
Wie waren die Reaktionen von Außenstehenden auf
das Schwäbische?
»Am Anfang gab es eine Art Schockstarre. Aber ich hoffe, die Leute lernen das zu schätzen. Ich habe genug vom Schwaben-Bashing und von der Ausgrenzung dieser wunderbaren Sprache, die so viel Platz für Emotionen lässt. Schwäbisch ist die ideale Filmsprache für eine Komödie. Dementsprechend positiv waren dann auch die Reaktionen von Leuten, die des Schwäbischen nicht mächtig sind. Viele sagten: „Ich verstehe zwar nur die Hälfte, aber was für eine coole Truppe!“ Und es gab eine große Euphorie wegen der Originalität des Films – und das hat nicht nur mit der Sprache zu tun, sondern mit Ulrikes Faible für gute Geschichten und mit ihrem Humor.«
Thomas Vollmar – Kamera
Geboren 1971 in Freiburg im Breisgau. Nach seinem Medien-Design-Studium in Mainz zog es ihn gen Norden, wo er an der Hamburg Media School seinen Master in Film/Kamera machte. Nach einigen Werbefilmen und Dokumentarfilmen gewann die von ihm fotografierte Dokumentation „Wärst du lieber tot“ den Deutschen Fernsehpreis. Der Geschäftsführer der Firma Kontrastfilm stieg mit der TV-Serie „Die Kirche bleibt im Dorf“ ins schwäbische Fach ein und führt dies nun mit TÄTERÄTÄÄ! DIE KIRCHE BLEIBT IM DORF 2 weiter.
So 12. - Di 14., 20:30 Uhr
Musikdoku / Rasta Vibes
Lee ‚Scratch’ Perry`s Vision of Paradise
Doku von Volker Schaner, D/Jamaika 2015, 94 Min., OF
Mit Lee Perry, The Orb, Adrian Sherwood, Mad Professor u.v.a.
Wer oder was ist Lee ‚Scratch’ Perry? Ein Clown, ein Verrückter, ein Scharlatan? Fest steht: ohne ihn hätte es Dub Musik, Reggae und Bob Marley nie gegeben.
Lee ‚Scratch’ Perry hat in den legendären Black Ark Studios auf Jamaika eine musikalische Revolution losgetreten, die völlig neue Töne und seine Botschaft in jedes Land der Welt tragen sollte: Reggae und Dub. Als Ausdruck seiner Vision von Frieden, die im Zeichen der äthiopischen Rastafari-Kultur steht, brachte Lee Perry afrikanische Gefühle und Rhythmen mit Popmusik in Verbindung.
Der Filmemacher Volker Schaner begleitete den Jamaikaner 15 Jahre, Kamera und Mikrofon immer im Gepäck. Der vergnügliche Film mit viel Musik lebt im Wesentlichen von Perrys unkontrollierbarer, energetischer Persönlichkeit. Mit neon-rot gefärbtem Bart und in knallbuntem Outfit trägt Lee Perry seine Prophezeiungen und Flüche vor und skandiert er voller Witz seine Weltsicht. Dabei vollzieht er rätselhafte Rituale, bemalt Wände oder präpariert eines seiner reichlich mit Ornamenten versehenen coolen Kleidungsstücke.
In das Doku-Material hinein montierte Schaner bunte Trickfilmsequenzen und verlässt damit die Dramaturgie der klassischen Dokumentation. Mit dieser zweiten Bildebene macht er dem Zuschauer die spirituelle Welt des exzentrischen Künstlers.
Mi 15. - Fr 17., 20:30 Uhr
Traumberuf Schauspieler
Die Prüfung
Dokumentarfilm von Till Harms, D 2015, 96 Min.
Am 15. Juni anschließend Gespräch mit Schauspiel-Chefdramaturg Jörg Vorhaben und der Schauspielerin Lilith Häßle vom Staatstheater Mainz.
687 Bewerber, 10 Plätze, 9 Dozenten, 10 Tage – höchste Anspannung bei allen Beteiligten.
Jahr für Jahr ist die Aufnahmeprüfung an der staatlichen Schauspielschule Hannover nicht nur eine besondere Herausforderung für die Bewerber, sondern auch eine außerordentliche Belastungsprobe für das Kollegium. Denn der Kampf um den talentierten Nachwuchs wird von den Prüfern mindestens ebenso leidenschaftlich und engagiert geführt wie der Kampf der Bewerber um einen der raren Plätze.
Ganz nah an den Dozenten und Professoren richtet der Film den Fokus auf die unbekannte Seite, die der Prüfungskommission. Das erste Mal öffnet sich in Deutschland ein solches Auswahlgremium und zeigt sich unzensiert vor der Kamera. "Die Prüfung" von Till Harms wirft einen einzigartigen Blick hinter die Kulissen des Hochschulbetriebs und richtet einen ungeschminkten Blick auf den Traumberuf Schauspieler. Dabei zeigt er die bewundernswerte Leidenschaft der Schüler ebenso wie die knorzige Direktheit der Lehrer.
»Ein starker Film, der auch Spaß macht.« (Cicero)
Hintergrund: Schauspielstudium an der HMTM Hannover
Das Studium gibt den Studierenden eine starke Basis für ihre spätere eigenständige künstlerische Arbeit in den verschiedensten Bereichen des Berufs und bildet die gesamte Breite heutiger Schauspielpraxis ab: von psychologisch-realistischem Spiel über formale Experimente bis hin zu zeitgenössischer Performance.
Die Unterrichte in Körper, Stimme, Spiel und Theorie beziehen sich stark aufeinander. Sie werden durch zahlreiche eigenständige, experimentelle Arbeiten der Studierenden ergänzt. Die Lehrenden stehen selbst in der künstlerischen Praxis und die Studierenden erhalten bereits während der Ausbildung Spielerfahrung an den großen Theatern in Niedersachsen. Gastspieleinladungen führen sie zu nationalen und internationalen Festivals. Kameraarbeit, Film- und Hörfunkprojekte in praktischer Zusammenarbeit mit dem NDR sind Bestandteil des Curriculums.
Der Studiengang Schauspiel ist Mitglied im europäischen Schauspielschulverband E:utsa und Gründungsmitglied der Ständigen Konferenz Schauspielausbildung (SKS).
Der Erfolg des Studiengangs spiegelt sich in den zahlreichen Auszeichnungen und Stipendien für die Studierenden, besonders aber in der Vielzahl erfolgreicher Theater- und Filmengagements der Absolventinnen und Absolventen wider. Zu diesen gehören z.B. Katharina Schüttler, Matthias Brandt und Susanne Wolff.
Sa 18., 20:30 Uhr
100 Jahre Dada
Deutschland DADA
Dokumentarfilm von Helmut Herbst, D 1969, 61 Min.
mit Hans Richter
Vorfilm: „Der Hut oder Mondo uovo“, D 1964/1965
angefragt: Helmut Herbst
Dada ist spielerischer Ernst, nihilistischer Protest, radikaler Überfall gegen und auf die Künste, auf jeglichen Sinn in allen Künsten. Dada ist Vertreterin eines Unsinns, der beileibe kein Blödsinn sein will.
Helmut Herbsts Filmklassiker Deutschland Dada dokumentiert mit vielen Archivaufnahmen die Auswirkungen der weltweiten dadaistischen Explosion. Neben anderen sprechen Raoul Hausmann, Hanna Hoech, Richard Huelsenbeck und Hans Richter über die seltenen Momente, in denen sich radikaler gesellschaftlicher Protest und radikale Kunst kurzfristig miteinander verbündeten.
Der einstündige Film entstand 1968/69 nach dadaistischen Stilprinzipien und besichtigt die in alle Welt verstreuten Bruchstücke und Splitter der dadaistischen Bewegung, ohne sie an einer der Wäscheleinen der Kunsthistoriker aufzuhängen.
Als Vorfilm zeigen wir „Der Hut oder Mondo uovo“ – ein Kurzspielfilm mit Animationsteilen, für den Helmut Herbst 1966 den Deutschen Filmpreis erhielt.
Über Helmut Herbst
Regisseur, Autor, und Produzent unabhängiger Filme der Autoren M. Bohm, H. Bitomski , H. Costard, H. Farocki , F. Winzentsen u.a.
• 1934 geb. in Waldbröl/Escherhof, Nordrheinwestfalen.
• 1959 Parisstipendium (Malerei) Stammgast der Cinémathèque Française, rue d`Ulm
• 1962 Gründung des cinegrafik – Studios in Hamburg Animationsfilme, Kinderfilme, Dokumentationen, freie Produktionen, Trickspezialist, Satirische Animationsfilme für die NDR- Magazine PANORAMA und Hallo Nachbarn. cinegrafik produzierte in Hamburg im Laufe der Jahre mit zeitweilig 9 Mitarbeitern viele Stunden Zeichentrick u.a. für die Sesamstraße, Kinderfilme für NDR und WDR sowie Tricksequenzen für Industriefilme u. Time/Life.
• 1967 Gründungsmitglied der Hamburger Filmmachercooperative.
• 1968 medienkundliche und kunsthistorische Dokumentationen für das Fernsehen,
• 1969 Dozent an der Deutschen Film- und Fernsehakademie (DFFB), Berlin, erste filmtheoretische Arbeiten und Veröffentlichungen.
• 1969-1979 Dozent an der Deutschen Film- und Fernsehakademie (DFFB), Berlin, erste filmtheoretische Arbeiten und Veröffentlichungen.
• 1979 Mitbegründer des Hamburger Filmbüros, Reduzierung des cinegafik- Studios auf 2 Mitarbeiter
• 1980 Dozent an der University of the West Indies, Kingston
• 1985 Professor an der Hochschule f. Gestaltung ( HfG ), Offenbach Aufbau einer praxisorientierten Filmausbildung im Studienschwerpunkt AV/ Medien.
• 1985-2000 Professor an der Hochschule f. Gestaltung ( HfG ), Offenbach Aufbau einer praxisorientierten Filmausbildung im Studienschwerpunkt AV/ Medien.
• 1986 Umzug des cinegrafik- Studios in den Odenwald.
So 19. - Mi 22., 20:30 Uhr
Neues deutsches Kino / Ironie
Wer hat Angst vor Sibylle Berg
Dokumentarfilm von Wiltrud Bayer & Sigrun Köhler, D 2015, 84 Min.
mit Sibylle Berg, Katja Riemann, Helene Hegemann, Olli Schulz u.a.
Die Schriftstellerin und Theaterautorin Sibylle Berg provoziert, irgendwie. Ihre Lebensgeschichte vom DDR-Flüchtling zur Bestsellerautorin klingt fast so, als hätte sie sie selbst erfunden. Früher suchte Sibylle Berg das Glück, heute sucht sie ein Haus.
Im Portrait der großen ironischen Dramatikerin erfahren wir, wie die männliche Form von ‚Schriftsteller’ lautet, warum diese auf Fotos meist ihren Kopf stützen, welche nützlichen Dinge (z.B. Eistauchen) man in der DDR lernen konnte, wie Pilze die Gehirne von Politikern steuern – und dass sich hinter jeder scheuen Schriftstellerin ein scheuer Mensch verbirgt.
»Das filmische Porträt zeigt Facetten einer komplexen Persönlichkeit und unorthodoxen Autorin, unterhaltsam inszeniert mit saloppem, improvisiert anmutendem Ton.« (epd Film)
Die unter dem Künstlernamen Böller und Brot bekannten Filmemacherinnen sagen selbst: »Der Film ist nicht jedem zu empfehlen, es soll Männer geben, die vor Sibylle Berg Angst haben. Aber wenn man keine Angst hat, dann ist er ein Genuss der Sinne und des Verstandes.«
Hintergrund: Sibylle Berg
Sibylle Berg wurde als Tochter eines Musikprofessors und einer Bibliothekarin in Weimar geboren. Nach ihrer Flucht in die BRD 1984 studierte sie Ozeanographie an der Universität in Hamburg. 1996 siedelte sie in die Schweiz um, in ihre Lieblingsstadt Zürich. Seit 2004 ist sie verheiratet. 2012 erhielt sie die Schweizer Staatsbürgerschaft und lebte immer wieder längere Zeit in Israel.
Seither verfasste Sibylle Berg 20 Theaterstücke, 11 Romane und nebenbei Reisereportagen, und Essays für diverse Zeitschriften und Magazine. Sibylle Bergs Werke wurden in 34 Sprachen übersetzt. Sie schrieb Essays über die rote Khmer, den Bosnienkonflikt, die Slums in Bangladesch und besuchte die Goldgräber am Amazonas. Seit Januar 2011 schreibt Sibylle Berg für Spiegel Online die wöchentlich erscheinende Kolumne S.P.O.N. – Fragen Sie Frau Sibylle.
Im März 2013 feierte ihr Stück „Angst reist mit“ am Schauspiel Stuttgart Premiere, bei dem sie Co-Regie führte. Im gleichen Jahr eröffnete Berg am Berliner Festspielhaus die Reihe „Ein Tag mit...“ für das sie ein sechsstündiges Event gestaltete, das sowohl Portrait als auch Werkschau der Künstlerin beinhaltete und zu dem sie über 20 andere Künstler einlud sich an der riesen Kunst-Kollage zu beteiligen.
Die Uraufführung ihres Stückes „How to sell a Murder House“ fand im Oktober 2015 am Theater Neumarkt in Zürich statt, für das sie selbst Regie führte und mit Caroline Peters und Marcus Kiepe zusammenarbeitete.
Sie kollaborierte bereits mit diversen Künstlern, von denen einige zu Freunden wurden, u.a. mit Jonathan Pylypchuk, Dawn Mellor, Sophie Calle, Ute Mahler, Mathilde Ter Heinje, Gabriela Fridriksdottier, Phillip Boa, Sophie Hunger und Christoph Stermann und Michael Glawogger.
Seit Januar 2016 arbeitet Sibylle Berg bei der Talkshow BÖHMERMANN & SCHULZ mit.
Do 23. - So 26., 20:30 Uhr
Deutsches Kino absurd, surreal
Finsterworld
Spielfilm von Frauke Finsterwalder D 2013, 95 Min.
Buch: Christian Kracht; D: Corinna Harfouch, Roland Zehrfeld, Sandra Hüller, Michael Maertens, Margit Carstensen u.a.
Dieser außergewöhnliche Film spielt in einem scheinbar aus der Zeit gefallenen Deutschland. Ein Land, in dem immer die Sonne scheint, Kinder Schuluniformen und Polizisten Bärenkostüme tragen und Fußpfleger alten Damen Kekse schenken. Jedoch lauert hinter der Schönheit dieser Parallelwelt der Abgrund, und dorthin geht die Reise...
In diesem skurril-traumhaften Kunst-Deutschland erleben unter anderem Margit Carstensen, Sandra Hüller, Ronald Zehrfeld und Corinna Harfouch wahrhaft schauerliche Alltagsabenteuer und Episoden.
Regisseurin Frauke Finsterwalder zeigt ein Universum von schlafwandlerischer Schönheit, gleichsam verzaubernd und entzaubernd, mit einer nachhaltigen poetischen Wucht. Liebevoll, absurd und zerstörerisch zeichnet sie ihre Helden in diesem Idylle-sabotierenden Heimatfilm.
Es entfaltet sich das Gleichnis von einem Land, in dem das Böse nach wie vor Triumphe feiert. Der ewige Sonnenschein, das magische Licht des Films können darüber nicht hinwegtäuschen. Abgründe, überall. Das ist ganz sicher kein Realismus. Und wenn es nicht so grausam wäre, dann wäre es furchtbar komisch.
Kritik
»Komisches und Erschreckendes liegen hier sehr nah nebeneinander, denn abgesehen von eher harmlosen Abseitigkeiten wie den „veredelten“ Keksen liegt auch schon einmal schiere Gefahr für Leib und Leben in der Luft.
Somit ist „Finsterworld“, erstmals beim diesjährigen Münchener Filmfest vorgestellt, vor allem ein dezenter Schocker, der unserer Gartenzwerg-Zivilisation durchaus handfest den Spiegel vorhält. Zwar haben dies vorab bereits Filmemacher wie Buñuel, Fassbinder oder Chabrol getan, aber es kann nicht schaden, wenn gerade das deutschsprachige Kino mit neuen frisch-frechen Bildern angereichert wird...« (Andreas Wirwalski, Filmecho 40/2013