Kommunales Kino der AG Stadtkino e.V. im Institut français (Schönborner Hof)

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Lange Nacht des politischen Kurzfilms
Mi. 18. Oktober 2017, 20:00 Uhr


Was ist ein guter Kurzfilm zu aktuellen politischen Themen? Unterscheidet er sich überhaupt von einem guten “unpolitischen” Kurzfilm? Wir stellen diese Frage ganz praktisch, indem wir Filme zeigen: aktuelle deutsche und internationale Kurzfilme.

Die Antwort geben eine Fachjury sowie das Publikum ebenfalls ganz praktisch mit ihren Stimmzetteln.
Die Voten dienen als Ankaufsempfehlungen für den Einsatz in der politischen Bildung.


Gewinner 2017

El Manguito Votum der Fachjury:
1. »El Manguito«
2. »Moon over Da Nang«
3. »Tiefenschärfe«

Fachjury (Bild links):
• Gabriela Denk (Kuratorin "Fade into You", Kunsthalle Mainz)
• Michael Schwarz (Filmemacher, Nachtschwärmerfilm, Mainz)
• Anne Waninger (Mediendramaturgin, ehem. Kommunales Kino Filmforum Höchst, LpB)

Download (doc): Jury-Begründung


Voten des Publikums:
1. (68%) »Tiefenschärfe«
2. (61%) »Moon over Da Nang«
3. (58%) »Animal Year«

Das Publikum beurteilte jeden Film einzeln und konnte für jeden Film auf einer drei-stufigen Skala zwischen gefällt mir gut, unentschieden und gefällt mir nicht wählen. Da nicht alle Zuschauer bis zum Ende blieben, wurde die Rangfolge nach Prozenten der positiven Voten an den abgegebenen Stimmen für einen Film der jeweils Anwesenden berechnet.


El Manguito »El Manguito«
Regie: Laurentia Genske, D/Kuba 2017, 19 Min., OmU

In den unzugänglichen Wäldern der Sierra Maestra wurde 1956 Geschichte geschrieben. Damals tauchten Fidel Castro und Che Guevara hier unter, um die kubanische Revolution ins Rollen zu bringen. Das fern in den Bergen liegende Dorf El Manguito war einst eine große Gemeinde mit über 100 Häusern, einer funktionierenden Infrastruktur, Elektrizität und einem Sägewerk. Doch als das Sägewerk geschlossen wurde, zogen die meisten Menschen in größere Ortschaften.
Abgeschnitten von der Außenwelt, ohne Stromversorgung und befahrbare Wege, leben hier zwölf Menschen. Idael, das Oberhaupt der Familie, seine Frau Nelcis, seine Kinder, Freunde und Brüder. Der Film begleitet die Familie in ihrem Alltag.
Filmseite: www.laurentiagenske.com
Printsource: Archiv der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen


Jury-Begründung

»In nur knapp zwanzig Minuten gelingt der Regisseurin Laurentia Genske ein sensibles, atmosphärisch dichtes und nuanciertes Porträt der letzten zwölf Bewohner des abgelegenen kubanischen Dorfes El Manguito. Genske variiert dabei gekonnt zwischen Fotografien, Zeichnungen und poetisch-leisen, konzentrierten Alltagsbeobachtungen in ästhetischen 16mm-Filmbildern, die teils sehr intime Momente des familiären Miteinanders um den Protagonisten Idael dokumentieren – hierbei ist die Vertrauensarbeit der Filmemacher besonders positiv hervorzuheben.

Über die intelligente Montage, alternierend zwischen atmosphärischen und informativen Passagen, werden wesentliche Inhalte ausschließlich über die Perspektive der Protagonisten transportiert. EL MANGUITO erzählt anhand dieser sehr persönlichen Schilderungen das Große im Kleinen: Die Verankerung des sozialistischen Systems in Kuba wird u.a. durch die Unterrichtspassagen des Lehrers gezeichnet, der mehrmals die Woche in das abgelegene Dorf kommt, um seinen einzigen Schüler, Idaels jüngsten Sohn, zu unterrichten. Die Historie der Gemeinde, die einst 300 Einwohner zählte und über eine intakte Infrastruktur verfügte, wird zudem über Farbfotos illustriert, während der schwierige Ist-Zustand anhand von schwarz/weiß-Fotos dokumentiert wird.

Trotz der vielen Widrigkeiten, mit denen sich Idael und seine Familie in El Manguito konfrontiert sehen, zeichnet Genske ihre Protagonisten als selbstbestimmte Überzeugungstäter, die „hier leben müssen, damit das Land“, einst Rückzugsort für Fidel Castro und Che Guevara, "nicht unbewohnt ist."

EL MANGUITO – ein faszinierender Einblick in eine vordergründig fremde Welt, die dem Zuschauer nach nur 19 Minuten ungleich vertraut erscheint.«


Standbild aus Moon Over Da Nang »Moon Over Da Nang«

Regie: Bjørn Melhus
D 2016, 15 Min, OmU

Der Mond, die erste Mondlandung, der Vietnamkrieg und deren Mediatisierung werden über Interviews und städtebauliche Beobachtungen mit dem globalisierten Heute in Da Nang verknüpft.
Bjørn Melhus zeigt auch wie 40 Jahre nach Ende des Vietnam-Kriegs sich Da Nang dem Tourismus empfiehlt.

Filmseite des Regisseurs: http://melhus.de
Printsource: Archiv der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen


Jury-Begründung

»Der Film MOON OVER DA NANG von Bjørn Melhus ist intelligent aufgebaut und professionell umgesetzt. Er vereint über ein Zitat zu Beginn geschickt zwei Themen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt assoziiert werden würden: den Vietnamkrieg und die Mondlandung. Dabei untersucht der Film insbesondere deren Mediatisierung und wirft einen Blick auf die Gegenwart im heutigen touristischen Da Nang.

Dabei verbindet Melhus unterschiedliches Filmmaterial, wie dokumentarische Interviews, traumartige, gespielte Szenen, Aufnahmen der Stadt und Ausschnitte einer amerikanischen Serie zu einer assoziativen Collage, deren Zusammenhänge sich erst im Verlauf des Films erschließen. Besonders die Interviews sind gut ausgewählt.

Die experimentelle Dokumentation spielt mit den Möglichkeiten des Mediums Film, beispielsweise auch durch Anspielungen auf den Film Apocalypse Now. Das ernste Thema des Krieges wird sensibel, aber dennoch mit humorvollen Passagen dargeboten.

Der Film gibt auf intelligente Weise Denkanstöße und bietet einen spannenden Einstieg in das Thema, weshalb er nach Meinung der Jury für die politische Bildung in hohem Maße geeignet ist. Die neue Sichtweise auf ein bekanntes Thema und die starken Bilder bilden in Kombination mit Text und Sound in dieser sehr aufwändigen Film-Arbeit eine Einheit und spannen einen Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. «


Standbild aus Tiefenschärfe »Tiefenschärfe«

Regie: Mareike Bernien/Alex Gerbaulet
D 2017, 14:30 Min.

Tiefenschärfe“ untersucht Orte in Nürnberg, an denen der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund (NSU) zwischen 2000 und 2005 drei Morde verübt hat.

Filmseite: http://depth-of-field.pong-berlin.de
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=flL4yk5AUcw
Printsource: Archiv der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen


Jury-Begründung

»Der 15-minütige Film über die Verbrechen des NSU und den Umgang mit ihnen besticht durch den Einsatz minimalistischer Filmmittel, die einer auf Sensationen ausgerichteten Berichterstattung schon auf formaler Ebene eine Absage erteilen.
Er reiht Standbilder von urbanen Landschaften aneinander: Straßen, Häuserfassaden, Fenster, Unterführungen und Parkplätze. Doch alle diese Bilder von Dingen, die uns alltäglich umgeben und die Menschen benutzen und bewohnen, sind menschenleer. Dadurch schleicht sich schon ein erster, irritierender Effekt in die scheinbar vertrauten, harmlosen Bilder.
Eine weitere Irritation entsteht, wenn die Kamera beginnt, sich plötzlich zu drehen und der statische Ausschnitt städtischer Architektur aus den Fugen gerät, sanft zu schaukeln beginnt oder - im rechten Winkel angelangt - einrastet und auf der Seite liegen bleibt. So wird ein Thema des Films indirekt visualisiert: Die Unfähigkeit oder der Unwille der Öffentlichkeit und der ermittelnden Behörden, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und die Fakten aus einem anderen Winkel zu betrachten, der nicht dem statisch vorgegebenen – in diesem Fall rassistisch konnotierten – Interpretationsrahmen entspricht.
Ansonsten verweigert der Film konsequent eine direkte Untermalung oder Bebilderung des starken Kommentars, der sich durch Klarheit und Ausdrucksstärke auszeichnet und an einigen Stellen kurz ins türkische springt, um die Betroffenen auch durch die Sprache selbst zu vergegenwärtigen.
Auch poetische Elemente des Kommentars, wie Menschen, die flüsternd schreien, bergen in einem halben Satz ganze Traditionslinien, in die man die Entwicklungen und Verwicklungen rund um den NSU stellen kann. Diese flüsternden Schreie machen deutlich, wie bewusst den Menschen die Verbrechen sind, von denen sie aber lieber nichts wissen wollen und sich daher nur flüsternd hinter vorgehaltener Hand darüber verständigen. Unbewusst kommt einem der Satz, der nach dem zweiten Weltkrieg wohl der am häufigsten repetiert wurde, in den Kopf: ‚Ich habe von nichts gewusst‘.
Unterstützt wird diese Assoziation des wissenden Geraunes durch das Bild eines schlichten, bevorhangten Fensters, das eben jene scheinbar von nichts wissende Person, pars pro toto, hinter den Gardinen imaginiert, die alles Geschehen um sie herum genau beobachtet, ohne selbst gesehen zu werden.

Die Stärke des Films liegt darin, dass er beständig Fragen auslöst: Steht da nun wirklich jemand hinter dem Vorhang? Wenn ja wer? Was hat er oder sie gesehen? Ist das der Ort, an dem das Verbrechen passiert ist? Ist das die Wand, an der das Schild hing, auf dem an das Opfer gedacht wird, aber der Hinweis auf die Täter herausgekratzt wurde? Wer hat das herausgekratzt? Warum?
Durch die Verweigerung der Eindeutigkeit wird der Betrachterin stets das eigene Bedürfnis nach Sicherheit vorgeführt, die man in unbedeutenden Fakten zu suchen versucht: Denn welchen Unterschied macht es, wie genau die Fassade der Änderungsschneiderei aussah, in der Abdurrahim Özüdoğru umgebracht wurde? Ob der Parkplatz, der hier im Bild zu sehen ist, wirklich der Parkplatz ist, auf dem İsmail Yaşar ermordet wurde?
Solche Fakten suggerieren ein konkretes Wissen, eine Sicherheit, die es gerade in diesem Fall kaum geben kann, da er geprägt ist vom Ineinandergreifen von strukturellem – und Alltagsrassismus mit einem Rassismus in Behörden und Polizei, der in Form von Pannen und Falschinterpretationen ebenso wie im Umgang mit den Opfern zum Ausdruck kommt.
Der Film stellt sich selbst die Frage: Wie filmt man einen Tatort? Und gibt so zu verstehen, dass das konkrete Bild kaum etwas darüber aussagen kann, was dort passiert ist. Und so versucht der Film das, was den NSU und den Umgang mit seinen Verbrechen ausmacht, in größere Zusammenhänge zu stellen und wirft auch die Frage auf, inwieweit der NSU-Komplex etwas mit den historischen Traditionslinien zu tun hat, die die Stadt Nürnberg prägen und die es möglich machen, dass dort 70 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus 3 Menschen ermordet werden können, weil sie nicht deutsch waren.
In diesem Sinne könnte man auch den Titel deuten, der ein stilistisches filmisches Mittel – die Tiefenschärfe, die den Fokus auf nahes oder Fernes legt und die - durch ihre Verlagerung, durch die das im Vordergrund stehende verschwimmt und das im Hintergrund verschwommene scharf gestellt wird (oder umgekehrt) - immer wieder in Filmen genutzt wird, um Zusammenhänge herzustellen.

Für die politische Bildung bietet der Film vielfältige Einsatzmöglichkeiten, weil er einerseits eine politische Aussage trifft und dennoch zum Weiterdenken anregt und viele Einsichten enthält, die sich nicht auf den allerersten Blick aufdrängen, sondern sich erst im ästhetischen wie inhaltlichen Ineinandergreifen verschiedener Ebenen und Stilmittel entfalten.«


Gewinner 2016

Votum der Fachjury:
1. »In the Distance«
2. »Nimmikaage (She dances for people)«
3. »Mains Propres«

Voten des Publikums:
1. »In the Distance«
2. »489 Years«
3. »Mains Propres«
Das war die: Kurzfilmnacht 2016 Logo LpB


Hintergrund

Die Veranstaltungsreihe wurde 1999 von der Landeszentrale und dem CinéMayence initiiert. Folgendes Statement zur ersten Veranstaltung erläutert die zugrunde liegende Idee:
»Der Kurzfilm ist ein beliebtes Medium, um ein Thema anzureißen und damit Anlaß für Diskussionen zu geben. Er kann prägnant informieren, provokant Widerspruch herausfordern oder einfühlsam ein Stimmungsbild vermitteln. Aber, wer erinnert sich nicht etwa an Filmvorführungen in der Schulzeit, die zwar immer eine willkommene Unterbrechung, doch filmisch veraltet oder pädagogisch langweilig waren... Wir stellen in dieser Veranstaltung die Frage: was ist ein guter Kurzfilm zu aktuellen politischen Themen? Welcher Film ist geeignet? Für die lange Kurzfilmnacht wollen wir Filme auswählen, die zugleich auch im Kino funktionieren, also anspruchsvoll unterhalten und künstlerisch herausragend sind.«
Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz in Kooperation mit dem CinéMayence.



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Schillerstraße 11
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