Kultursommer 2019
Vorschau: Im kommenden Oktober planen wir mit der Filmreihe "Heimat Ist – Ortsgespräche" am Kultursommer 2019 teilzunehmen.
Thematisch geht es um 'Heimat' als Zuhause, als regionale Verbundenheit und lokales Geborgenheitsgefühl, aber auch die ferne Heimat, Heimat als Verlust und als ein ambivalenter Wert (die Heimat des Einen ist dem Anderen die Fremde). Außerdem 'Heimat' als eine authentisch erscheinende Gegenströmung zum standardisierten Lifestyle der globalisierten Warenwelt.
Vorschläge für Programme und Kooperationen sind willkommen!
(folgendes war unser Programm im)
Kultursommer 2018
1. Einführung
2. Programm Tag für Tag
»Ghosts in the Machine«
– mediale Beziehungen in Kunst, Gesellschaft und Politik
Oktober im CinéMayence, Mainz
Thema
In Anlehnung an die Themen des Kultursommers 2018 (Industriekultur) zeigen wir ein kuratiertes Programm mit Filmen, in denen Filmemacher, Künstler und Visionäre die industrielle Entwicklung reflektieren.
Dabei spannen wir einen Bogen von der früh-industriellen Revolutions-Zeit bis zur digitalen Moderne. Ein Unterthema sind Filme über Erfahrungen, Sehnsüchte wie Ängste in und mit neuen Technologien.
Gäste und Veranstaltungsformate
Über das Filmabspiel hinaus hat das Programm Diskurs-Charakter. Zu den Themen wurden Kooperationspartner und Referenten für Einführungen und Gespräche eingeladen.
Zur Eröffnung des Kultursommer-Programms kommt der Regisseur Hermann Vaske, um über seinen Film WHY ARE WE CREATIVE? (Mainzer Erstaufführung) zu spechen.
Am 8. Oktober kommt der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Prof. Dr. Kugelmann, um nach der Vorführung über den Film THE CLEANERS (Mainzer Erstaufführung) zu diskutieren.
Dann freuen wir uns auf Prof. Dr. Oksana Bulgakowa (Leiterin des Fachs Filmwissenschaft, Uni Mainz – Expertin für frühe russisch-sowjetische Filme), die in den Filmklassiker OKTOBER von Sergej M. Eisenstein einführen wird.
Außerdem bieten wir mit einer Lecture-Performance zum Thema Selfies von Dr. Florian Krautkrämer (HBK Braunschweig, Hochschule Luzern) und Reinhard W. Wolf (CinéMayence, Internationale Kurzfilmtage Oberhausen) ein neues Veranstaltungsformat.
Das Programm besteht aus einer Reihe von Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen. Alle Filme werden als Originalfassung, ggf. mit deutschen Untertiteln gezeigt. Neben Klassikern und besonderen Programmen mit nur einer Vorstellung, werden aktuelle Produktionen bis zu einer Kinowoche lang gezeigt.
Ort und Zeit
Die Veranstaltungen findet als mehrwöchige Filmreihe vom 4. bis 31. Oktober 2018 im Mainzer Kommunalen Kino CinéMayence statt.
Eintrittspreis Filme: 5,50 € (normal), 4,50 € (ermäßigt)
Aufschlag bei Überlängen und besonderen Ereignissen.
Die Programmreihe wird gefördert von
Kultursommer Rheinland-Pfalz der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur
Konzept/Kurator: Reinhard W. Wolf
Der Veranstaltungstitel lehnt sich an die Ausstellung "Ghosts in the Machine" über das Verhältnis zwischen Mensch, Maschine und Kunst an (New Museum, New York, 2013)
Programm Tag für Tag
Do, 4. Oktober, 18:00 Uhr
Anschließend Gespräch mit dem Regisseur
Fr, 5. – So, 7. Oktober, 20:30 Uhr
Why are we creative?
Dokumentarfilm von Hermann Vaske, D 2018, 82 Min., OF u. OmU
Musik: Blixa Bargeld und Teho Teardo
Warum sind Sie kreativ? Seit rund drei Jahrzehnten richtet der Autor und Produzent Hermann Vaske diese Frage an Menschen aus Werbung, Film, Musik, Theater und Kunst genauso wie aus Politik, Philosophie oder Wissenschaft. Was treibt diese an, ihre Ideen in Werke umzusetzen?
Mit dabei sind Regisseure wie Wim Wenders und David Lynch, Musikerinnen und Musiker wie Björk, Nick Cave und Bono, Künstlerinnen und Künstler wie Ai Wei Wei, Marina Abramović und Damien Hirst, Modemacherinnen wie Vivienne Westwood, Schauspielerinnen wie Angelina Jolie und Isabella Rossellini, Schauspieler wie Willem Dafoe, Sean Penn und John Cleese, Staatsmänner wie Nelson Mandela und Mikhail Gorbatschow, Wissenschaftler wie Stephen Hawking, religiöse Führer wie der Dalai Lama und Persönlichkeiten wie Yoko Ono und David Bowie.
Der Film ist Teil des „Why Are You Creative“-Projekt des Regisseurs und ist eine einzigartige Reise durch die verschiedenen Facetten der Kreativität: künstlerisch, intellektuell, philosophisch und wissenschaftlich. Ein Who is Who der besten Kreativen der Welt.
Eine Aussage passt sich an die andere an, mal begleitet von luftigen Animationsbildern, mal von einer wackeligen Handy-Kamera. Der Film ist jenseits der Chronologie streng komponiert, ja durchdacht. Er selbst ist das Ergebnis eines kreativen Prozesses und beantwortet die Frage, was Kreativität ist, wunderbar. Nicht ohne die andere, die nach dem Warum, schelmisch offen zu lassen. In der Überfülle der prominenten Antworten entsteht ein ganz kleiner Strudel, der bei einem selbst endet. Warum bin ich eigentlich nicht kreativ? (Ulrich Sonnenschein, epdFilm 9/18)
Hermann Vaske ist Regisseur, Autor und Produzent. Als Regisseur arbeitete er u.a.mit Schauspielern wie Dennis Hopper, Harvey Keitel, Sir Peter Ustinov und John Cleese. Er ist Grimme-Preisträger und wurde mit mehr als 100 Preisen ausgezeichnet, u.a. mehreren Cannes Lions und Clios. Die Frage „Why Are We Creative?” beschäftigt ihn seit 30 Jahren, in denen er die ganze Welt bereist hat, um von den bedeutendsten Kreativen der Welt zu erfahren, was sie antreibt.
Die Ausstellung „ Why Are You Creative?“ von Hermann Vaske ist vom 2.8. bis 4.11. im Museum für Kommunikation in Frankfurt zu sehen.
Mo, 8. – Mi, 10. Oktober 20:30 Uhr
The Cleaners
Dokumentarfilm von Hans Block & Moritz Riesewieck, D/BR 2018, 88 Min, OmU
am Montag, 8. Oktober, anschl. Diskussion mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Prof. Dr. Kugelmann
THE CLEANERS enthüllt eine gigantische Schattenindustrie digitaler Zensur in Manila, dem weltweit größten Outsourcing-Standort für 'Content Moderation'. Dort löschen zehntausende Menschen in Zehn-Stunden-Schichten im Auftrag der großen Silicon Valley-Konzerne belastende Fotos und Videos von Facebook, YouTube, Twitter & Co. Komplexe Entscheidungen über Zensur oder Sichtbarkeit von Inhalten werden an die philippinischen Content Moderatoren outgesourct.
Die Kriterien und Vorgaben, nach denen sie agieren, ist eines der am besten geschützten Geheimnisse des Silicon Valleys. Die Grausamkeit und die kontinuierliche Belastung dieser traumatisierenden Arbeit verändert die Wahrnehmung und Persönlichkeit der Content Moderatoren. Doch damit nicht genug. Ihnen ist es verboten, über ihre Erfahrungen zu sprechen.
Parallel zu den Geschichten von fünf Content Moderatoren erzählt der Film von den globalen Auswirkungen der Onlinezensur und zeigt wie Fake News und Hass durch die Sozialen Netzwerke verbreitet und verstärkt werden. Die utopische Vision einer vernetzten globalen Internetgemeinde wird endgültig zum Alptraum, wenn hochrangige ehemalige Mitarbeiter der Sozialen Netzwerke Einblicke in die Funktionsweisen und Mechanismen der Plattformen geben. Durch gezielte Verstärkung und Vervielfältigung jeglicher Art von Emotionen, werden die Plattformen zu gefährlichen Brandbeschleunigern, die soziale, politische und gesellschaftliche Konflikte anheizen und die drohende Spaltung unserer Gesellschaft vorantreiben.
Der Filmstil dieser Doku noir ähnelt mit seinem mächtigen Soundtrack, den Visualisierungen und Aufnahmen von dunklen Straßenschluchten und Wolkenkratzern einem Großstadt-Thriller. »Der Film fesselt am meisten, wenn er zu den Menschen zurückkehrt, die ihm seinen Titel geben. Der Zuschauer wird nie direkt mit dem Bildergemetzel konfrontiert, dem die Content-Moderators ausgesetzt sind.« (Zeit online, 5-2018).
Wieder ist ein Leck bei Facebook aufgetaucht, wieder sollen Millionen Datensätze mit privatesten Informationen öffentlich zugänglich gewesen sein […]
Just in diesem Moment überraschen uns die aus dem Theaterbereich stammenden jungen Regisseure Hans Block und Moritz Riesewieck mit einem erstaunlichen Dokumentarfilm, der seit Monaten Publikum und Kritik auf den wichtigsten Festivals der Welt elektrisiert. Völlig zu Recht: Es ist, als würden einem die Scheuklappen weggerissen, als sähe man das, was sich seit Jahren direkt vor unseren Augen abspielt, zum ersten Mal unverschleiert. (FAZ, 17.05.18)
Do, 11. – Di, 16. Oktober,20:30 Uhr
Architektur und Designgeschichte
Vom Bauen der Zukunft – 100 Jahre Bauhaus
Dokumentarfilm von Niels Bolbrinker und Thomas Tielsch, D 2018, 90 Min.
Vor beinahe hundert Jahren wurde eine radikale künstlerische Utopie in die beschauliche Stadt Weimar hineingeboren: Das Bauhaus. Ihre Auswirkungen prägen unsere Lebenswelt bis heute. Vor dem Hintergrund des 100. Bauhaus-Jubiläums erzählt der Dokumentarfilm BAUHAUS nicht nur Kunst-, sondern Zeitgeschichte. Von Beginn an fragten die Architekten und Künstler des Bauhaus, darunter
Walter Gropius, Wassily Kandinsky oder
Paul Klee: Wie zusammenleben? Was bedeutet „zusammenleben“? Wie lassen sich Räume so gestalten, dass alle Menschen am gemeinsamen Leben teilhaben? Wie können die Ideen des Bauhaus den Herausforderungen des globalen Kapitalismus und seiner Umwälzung der Wohnungsmärkte begegnen?
BAUHAUS führt vom legendären Bauhausgebäude in Dessau zu visionären Wohnprojekten in lateinamerikanischen Favelas, von den Kursen der Bauhaus-Meister Kandinsky, Klee und Schlemmer zu skandinavischen Schulen ohne Klassenräume, von der Berliner Gropius-Stadt zur Vision einer autofreien Metropolis.
BAUHAUS führt vom legendären Bauhausgebäude in Dessau zu visionären Wohnprojekten in lateinamerikanischen Favelas, von den Kursen der Bauhaus-Meister Kandinsky, Klee und Schlemmer zu skandinavischen Schulen ohne Klassenräume, von der Berliner Gropius-Stadt zur Vision einer autofreien Metropolis.
»Vom Bauen der Zukunft« schwelgt mit Pathos im Bauhaus-Spirit und zelebriert die Suche nach dem großen Zusammenhang zwischen Architektur, Gestaltung und Gesellschaft. Es ist ein Film über Fantasie und Utopie, über das »Think Big«, der selbst allerdings meist brav auf bekanntem Dokumentarfilmboden flaniert. (filmdienst)
Mi, 17. Oktober, 20:30 Uhr
Mainzer Aktionswoche der Seelischen Gesundheit
Die beste aller Welten
Spielfilm von Adrian Goiginger, A/D 2017, 103 Min.
D: Verena Altenberger, Jeremy Miliker, Lukas Miko, Michael Pink
In Kooperation mit der Landeshauptstadt Mainz und dem Landkreis Mainz-Bingen
Filmvorführung mit anschließendem Gespräch: Moderation: Jessica Odenwald, Koordinierungsstelle für gemeindenahe Psychiatrie der Stadt Mainz
Eintritt frei!
Adrian erlebt eine Kindheit im außergewöhnlichen Milieu einer Drogenszene am Rand einer österreichischen Stadt, und mit einer Mutter zwischen Fürsorglichkeit und Drogenrausch. Für den kleinen Adrian ist es normal, dass Helga, ihr Lebensgefährte Günter und ihre anderen Freunde, die in der Wohnung ein und aus gehen, häufig euphorisch oder aber sehr müde sind, wilde Parties in der mit Decken verhängten Wohnung oder am Lagerfeuer an der Salzach feiern, und dann den halben Tag schlafen. Für alles, was Adrian seltsam vorkommen könnte, findet Helga märchenhafte Erklärungen, die ihr phantasievoller Sohn in seine Abenteuergeschichten einbaut.
Wenn er groß ist, möchte er Abenteurer werden. Trotz allem ist es für ihn eine behütete Kindheit, die beste aller Welten, bis sich die Außenwelt nicht mehr länger aussperren lässt. Helga weiß, sie muss clean werden, um ihren Sohn nicht für immer zu verlieren. Doch dazu muss sie ihre eigenen Dämonen besiegen...
Adrian Goiginger erzählt in seinem Debütfilm seine eigene Geschichte und schafft damit eine Hommage an seine Mutter, einer starken Frau, trotz aller widrigen Umstände.
Der Film hat in 5 Hauptkategorien den Österreichischen Filmpreis gewonnen: Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch, Beste Hauptdarstellerin, Beste männliche Nebenrolle.
Do, 18. – Mi, 24. Oktober (außer 19. + 22.), 20:30 Uhr
Russische Revolution und künstlerische Avantgarde
1917 – Der wahre Oktober
Animierter Dokumentarfilm von Katrin Rothe, D/CH 2017, 90 Min.
St. Petersburg im Februar 1917: Der Zar hat abgedankt, die provisorische Regierung die Macht übernommen, auf den Straßen herrscht die permanente Demonstration. In diesen Wirren suchen auch die Künstler nach einer Position.
Welche Partei bringt im Krieg mit Deutschland, der täglich Opfer fordert, am sichersten den Frieden? Wie mischt man sich ein? Der Schriftsteller Maxim Gorki und Alexandre Benois, Maler und Kritiker, gründen spontan eine Kulturbehörde zum Schutz von Denkmälern. Die Intellektuelle Sinaida Hippius ist mit allem unzufrieden, der junge Poet Wladimir Majakowski berauscht vom Aufstand der Massen.
Mit Lenins Ankunft aus Zürich und der nahenden Machtübernahme der Bolschewiki mit Waffengewalt wandelt sich manche Meinung. Woran lag es, dass keine bürgerlich-parlamentarische Demokratie gebildet wurde?
Basierend auf Recherchen in teils bisher unbekanntem Quellmaterial, in Tagebüchern, Berichten und literarischen Werken ihrer Trickfilm-Protagonisten - Künstler wie Maxim Gorki und Kasimir Malewitsch - unternimmt die zweifache Grimme-Preisträgerin Katrin Rothe eine multiperspektivische Befragung dessen, was heute weithin als „Die Oktoberrevolution“ bekannt ist.
Als Mittel dient ihr die klassische Animation der Legetricktechnik, bei der ausgeschnittene Formen Bild für Bild bewegt und fotografiert werden. Zur weiteren Veranschaulichung der Ereignisse dienen, neben dokumentarischem Foto- und Filmmaterial, gezeichnete Landkarten, Stadtpläne, Gebäudeskizzen und Massenszenen aus Scherenschnitt.
Das könnten weder Guido Knopp noch Ben Kingsley besser: Katrin Rothes Trickfilm „1917 – der wahre Oktober“ ist eine hinreißende Hommage an die russischen Revolutionäre der Kunst. (...). Ihr „1917“ zeigt das komplette Repertoire intellektueller Strategien in Krisenzeiten, das ganze Spektrum zwischen dem Drang, mit Einmischung etwas zu bewirken, und der Einsicht, doch nur an der Seitenlinie zu gaffen. (...) Die wahre Attraktion von „1917“ ist aber Rothes Stil, eine hinreißende Mischung aus zweidimensionalem Zeichen- und dreidimensionalem Puppentrick, eine Art „2,5 D“, wie sie ihre Technik nennt. Und die Ästhetik der Zeit ist die Ästhetik des Films, die abstrakte Farb- und Formensprache ist die der russischen Futuristen, Konstruktivisten und Suprematisten, die bei Rothe zu Collagen aus Pappen, Schnüren und Scherenschnitten werden, bewegt zu einer eigenen Mimik, Gestik und Körpersprache. (Welt online, 14.05.2017)
Die betont subjektive Chronologie der Ereignisse setzt mit visuellem Einfallsreichtum das Verhältnis von Politik und Kunst in ein neues Licht und überzeugt als kreative Collage aus Stimmen, Geräuschen und Bildern. (filmdienst)
19. Oktober, 20:30 Uhr
Oktober-Revolution / Filmklassiker mit Einführung
Oktjabr' (Zehn Tage, die die Welt erschütterten)
Spielfilm von Sergej M. Eisenstein, UdSSR 1928, 116 Min., stumm mit Musikbegleitung
Kamera: Eduard Tissé; Musik: Edmund Meisel
Musikbegleitung der restaurierten Version: Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin dirigiert von Frank Strobel
Einführung: Prof. Oksana Bulgakowa (Filmwissenschaft Mainz, ifk Fellow 2018)
1917 brodelt es in Petrograd: Der Zar ist zwar gestürzt und die Übergangsregierung bereits an der Macht, doch für die breite Bevölkerung ändert sich nichts. Hunger und Elend treiben die wütenden Arbeiter auf die Straße. Lenins Rückkehr aus dem Exil befeuert die Rebellion der Arbeiter. Er fordert die sofortige Abschaffung der seiner Meinung nach bürgerlichen und unfähigen Übergangsregierung. Die Petrograder demonstrieren, aber zunächst kann ihr Aufbegehren niedergeschlagen werden. Doch die Widerstandsbewegung lebt weiter fort.
Der Stummfilm "Oktober" wurde zehn Jahre nach der Oktoberrevolution von dem sowjetischen Exekutivkomitee anlässlich des zehnjährigen Jubiläums in Auftrag gegeben. Regisseur Sergej Eisenstein erzählt die historischen Geschehnisse in einem monumentalen Stummfilm nach. Dabei kommentiert er die historische Entwicklung durch suggestive Montagen und unterläuft mit seinen ironischen Bildfindungen vordergründiges Revolutionspathos, was prompt dazu führte, dass der Film nach seiner Uraufführung am 14. März 1928 in den Archiven verschwand. Einige Szenen des Spielfilms wurden wie historisches Nachrichtenmaterial aus dem Film geschnitten und aufbereitet. Außer diesen Filmfragmenten war "Oktober" in der Sowjetunion nicht mehr zu sehen.
Zur restaurierten Version
Zur Berlinale 2012 wurde vom Filmmuseum München, unter Verwendung eines Duplikat der integralen Fassung, eine HD-Restaurierung unter Einbeziehung von Material anderer Archive hergestellt.
Das Besondere der neuen Fassung ist, neben der Nachstellung der unzensierten Filmversion, die rekonstruierte Filmmusik von Edmund Meisel, der 1928 die Musik zur deutschen Fassung des Films geschrieben hat. "Oktober" war seine zweite Zusammenarbeit mit Sergej Eisenstein, in der er seine beim "Panzerkreuzer Potemkin" gewonnenen Erfahrungen weiter ausbauen wollte; das Resultat ist eine innovative Filmmusik, die mit ihrem geräuschhaften Klang und ihren mechanischen Rhythmisierungen wie ein Vorbote der Punk- und Technomusik wirkt. (Filmmuseum München)
22. Oktober, 20:30 Uhr
Soziale Medien / iVideos
Ich selfie, also bin ich
Lecture Performance von Dr. Florian Krautkrämer u. Reinhard W. Wolf mit Videobeispielen
EINTRITT FREI!
Im Jahr 2002 tauchte der Begriff zum ersten Mal in einem australischen Blog auf. Im November 2013 erklärte das ehrwürdige
Oxford English Dictionary ‚selfie’ zum Wort des Jahres. Gemeint waren damals selbstverständlich nur Fotos. Die ersten Video-Selfies wurden noch an heimischen Computern mit Webcams aufgenommen. Seit Mobiltelefone Kameras haben und Social-Media-Dienste Videos senden können, haben sich Selfie-Videos rasant verbreitet.
Die Geste des Kameraumdrehens ist ein Alltagsphänomen und als solches sowohl Teil der Popkultur als auch dokumentarische Praxis. In der Veranstaltung beleuchten wir unterschiedliche Facetten, stellen außergewöhnliche Beispiele vor und zeigen historische Vorläufer.
Wir tun dies im Format einer Lecture Performance – als unterhaltsamer Vortrag mit vielen Video-Beispielen auf der Kinoleinwand.
Das Selfie ist zwar erst ein paar Jahre alt, hat aber schon einen weiten Weg hinter sich und auch Spuren in der öffentlichen Diskussion, im Feuilleton bis zu Beiträgen in akademischen Publikationen hinterlassen. Die diskutierten Themen und Fragen lauten:
Woher kommt das Phänomen? Was macht die Attraktivität aus? Purer Narzissmus? Welche Bedeutung haben Selfies in der Gesellschaft und Kultur?
Welche Funktionen erfüllen Selfies?
Aufmerksamkeit für den Einzelnen? Anerkennung für Jedermann in einer von Mächtigen und Prominenten dominierten medialen Umwelt? Demokratisches Kommunikationsmittel bei politischen Umbrüchen? Gegenöffentlichkeit für die Themen, die in den traditionellen Medien nicht vorkommen?
Oder nur kostenloses Futter für die Big-Data-Werbeindustrie? Oder gar unfreiwillige, massenhafte Selbstüberwachung?
Dr. Florian Krautkrämer ist Filmwissenschaftler und leitet seit April 2018 den Studienbereich Interdisciplinarity in Design & Arts an der Hochschule Luzern. Zuvor vertrat er eine Professur für Filmwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und war Mitarbeiter der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Als Filmemacher hat er mehrere prämierte Experimental- und Dokumentarfilme realisiert. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Experimentalfilm, Dokumentarfilm, Amateurfilm und Mobile Media. Zudem arbeitet er als Gutachter für verschiedene europäische Filmförderungen.
Reinhard W. Wolf ist der Leiter des Kommunalen Kinos CinéMayence. Er arbeitet freiberuflich als Filmkurator und übte Lehrtätigkeiten an verschiedenen Hochschulen für Film, Medien und Kunst aus. Seit 1991 ist er Mitglied der Programmkommission der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen und seit 2001 Redakteur des Online-Magazins shortfilm.de, wo er unter anderem 2015 einen Artikel über Selfies veröffentlichte.
Do, 25. – So, 28. Oktober, 20:30 Uhr
Wirtschafts- und Unternehmenskultur / Kulturwandel
Die stille Revolution
Dokumentarfilm von Kristian Gründling, D 2018, 90 Min.
mit Prof. Dr. Gerald Hüther, Pater Anselm Grün, Thomas Sattelberger
Die Arbeitswelt steht vor einem nachhaltigen Kulturwandel. Alte Denkmuster und Verhaltensweisen brechen immer mehr auf, junge Menschen sehnen sich nach mehr Menschlichkeit und Seele in ihrem Arbeitsumfeld. Wie gehen wir mit dieser Herausforderung um? Wie gelingt der Wandel von der Ressourcenausnutzung hin zur Potentialentfaltung? Worin liegt der Sinn unseres unternehmerischen Handelns und wo bleibt der Mensch dabei?
„Die Stille Revolution“ – der Kinofilm zum Kulturwandel in der Arbeitswelt von Regisseur Kristian Gründling gibt Antwort auf diese und weitere Fragen, hinterfragt, inspiriert und wühlt auf. Auf seinem Weg begleitet wird Upstalsboom-Geschäftsführer Bodo Janssen, der nach einer vernichtenden Mitarbeiterbefragung sein Unternehmen von Grund auf verändert.
Der Film zeigt am Beispiel des Anbieters für Hotels und Ferienwohnungen die Ergebnisse eines spektakulären Kulturwandels, die das Potential haben, unser gewohntes Bild von Arbeit und Wirtschaft nachhaltig zu verändern.
Protagonisten im Film sind unter anderem Prof. Dr. Gerald Hüther (Neurobiologe), Pater Anselm Grün (Autor „Führen mit Werten"), Thomas Sattelberger (Personalvorstand a.D. Telekom) und viele Upstalsboomer.
Die meisten Unternehmen sind äußerst hierarchische Organisationen. Nicht nur der Lohnzettel zeugt davon, sondern auch das Maß der von Kollegen im Aufzug gezeigten Freundlichkeit oder die Größe des Büros, so man denn in Zeiten von Großraumbüros überhaupt noch ein eigenes hat. Gleichzeitig hängen die Betriebe von ständiger Verfügbarkeit und Eigeninitiative der Mitarbeiter ab: Weg vom Befehlsempfänger, hin zum Arbeitskraftunternehmer, der von sich aus auf Veränderungen reagiert, was nicht selten in Selbstausbeutung mündet. (filmdienst)
Auch wenn man die bisherigen Aktivitäten von Janssen positiv bewerten mag, bleibt in den postulierten New-Age-artigen Konzepten zumindest eine große unerwähnte Leerstelle, nämlich die Frage danach, wie die postulierte »Götterdämmerung des Materialismus« (so Götz Werner) mit der weiterhin bestehenden kapitalistischen Grundordnung zusammengeht. (Silvia Hallensleben, epdFilm 23.02.2018)
Sa, 27. Oktober, 12:30 Uhr
Variations Gutenberg, Gutenberg en français
Gutenberg, l'aventure de l'imprimerie
TV-Film von Marc Jampolsky, F/D 2017, 85 Min., DF
Im Anschluß zum Film: Eröffnung "Variations Gutenberg, Gutenberg en français" im Salon des Schönborner Hofs, eine Initiative des Institut français Mainz. Eintritt frei!
Mit Gutenbergs Technik zum Buchdruck mit beweglichen Lettern wurde im fünfzehnten Jahrhundert unsere Informations- und Wissensgesellschaft, wie wir sie heute kennen, in die Wege geleitet. Aber wer war dieser Mann wirklich? Was waren seine Bestrebungen und seine Motivationen?
Der Film lädt uns auf eine Reise in das Herz des Mittelalters ein, um uns die Geschichte und das Abenteuer der Geburt dieser Erfindung vor Augen zu führen.
Gutenberg ist der Erfinder der Buchdruckerkunst. Trotz allem wissen wir wenig über den Mann selbst. Wer war er? Was hat ihn angetrieben? Welche Schlachten musste er liefern? Wurden die Abenteuer, die die Geburt dieser revolutionären Erfindung begleitet haben, jemals richtig erzählt?
Was können wir über die wahre Geschichte von Gutenberg (1400-1468) erfahren? Denn es stellt sich die Frage, wie und mit welchem Geld eine solche Innovation im fünfzehnten Jahrhundert entwickelt und fertiggestellt werden konnte? Was konnte zu dieser Zeit mit welcher Technik, veröffentlicht werden? Und noch viel wichtiger: Wie schützt man in einer Zeit ohne Patente eine Erfindung? Mit wem kann man kooperieren, um bestimmte Ziele zu erreichen?
Diesen und noch mehr Fragen möchte diese Dokufiktion auf den Grund gehen, um die Pein und die Schwierigkeiten eines Visionärs gegenüber seiner Epoche zu erzählen. Es ist ein wahrhaftiger Epos im Herzen des Mittelalters mit einem Protagonisten, der sich nach und nach als hartnäckiger Querulant, wagemutiger und gerissener Geschäftsmann sowie enthusiastischer Lebemann entpuppt. (Produktionsmitteilung)
Mo, 29. – Mi, 31. Oktober, 20:30 Uhr
Kollaborative Forschung / Higgs-Teilchen
Particle Fever – Die Jagd nach dem Higgs
Dokumentarfilm von Mark Levinson, USA 2013, 99 Min., OmU
mit den Physikern Savas Dimopoulos, Nima Arkani-Hamed, Fabiola Gianotti (jetzige Generaldirektorin des CERN), Monica Dunford, Martin Aleksa, Mike Lamont
Der Film folgt sechs brillanten Wissenschaftlern während der Inbetriebnahme des Teilchen-Beschleunigers Large Hadron Collider des CERN, einem der größten und teuersten Physik-Experimente in der Geschichte der Menschheit. 11.000 Wissenschaftler aus über 80 Ländern schließen sich für ein einziges Ziel zusammen, auf der Suche nach einem elementaren Baustein der Materie, die grundlegende Gesetze der Natur zu ergründen.
Die Wissenschaftler versuchen die Bedingungen nachzubilden, die unmittelbar nach dem Urknall bestanden haben. In dem 27km langen, kreisförmigen Beschleuniger in der Nähe von Genf schießen sie Protonen aufeinander, um die dabei entstehenden Bruchteile der Materie untersuchen zu können. Die Suche gilt auch dem nach dem sogenannten Higgs Teilchen, das nach der Theorie des schottischen Physikers aller Materie ihre Masse verleiht.
Die Zusammenhänge werden in improvisierten Vorlesungen und mit animierten Grafiken erklärt. Damit gelingt es den Autoren des Films, das komplexe Thema auch Nicht-Physiker verständlich zu machen. Spannend wie ein Thriller ist der Wettkampf zweier Lager: Jener Wissenschaftler, die der Theorie der Supersymmetrie folgen, nach der jedes Teilchen einen symmetrischen Partner hat, und jener Theoretiker, die die Möglichkeit mehrerer Universen vermuten.
"Particle Fever" ist ein seltener Glücksfall, in dem ein Wissenschaftsfilm zugleich auch filmisch und ästhetisch gelungen ist. Dies liegt vor allem am Regisseur, Mark Levinson, der u.a. an Spielfilmen von Francis Coppola, Tom Tykwer, Milos Forman und Anthony Minghella mitgewirkt hat, aber auch selbst einen Doktor in theoretischer Teilchenphysik hat. Außerdem am Cutter des Films, der mehrfache Oscar-Preisträger Walter Murch ("Der Pate III", "Der Englische Patient").
David Kaplan, Physiker: »Wenn die Leute fragen, was wir mit dem LHC tun, haben wir zwei Antworten. Die eine Antwort ist, was wir den Leuten sagen – und die andere ist die Wahrheit", scherzte Kaplan und ergänzte: "Die erste Antwort: Wir reproduzieren im LHC die physikalischen Bedingungen unmittelbar nach dem Urknall. Die zweite Antwort: Wir versuchen die grundlegenden Gesetze der Natur zu verstehen.«
Auf die Frage wozu die Entdeckung des Higgs-Teilchens denn nun gut sei, gesteht Kaplan: »Ich habe keine Ahnung!« (Podiumsdiskussion am Swiss Science Center, Winterhur 2014)
Mark A. Levinson, Regisseur: »Was mich an Physik begeisterte war die tiefgründige Schönheit und Eleganz der Theorien und die Magie, die darin steckte, dass abstrakte Symbole tiefe Wahrheiten über unser Universum enthielten. Der Übergang zum Film kam, weil ich diesen als alternativen, aber ebenso mysteriösen und magischen Weg entdeckte, die Welt um uns herum, auf einer menschlichen Ebene, zu erkunden. Viele Jahre hatte ich die Hoffnung, ein Projekt zu finden, in dem ich meine beiden scheinbar unvereinbaren Leidenschaften verbinden könnte.«
Die besondere Qualität des Films wurde von mehr als 20 renommierten Filmfestivals honoriert – und etlichen Auszeichnungen aus dem Filmsektor (Winner Grierson Award, Vision Award Prize Locarno Filmfestival, Publikumspreis DocsBarcelona) wie aus dem Wissenschaftssektor (U.S. National Academies of Science Award 2015, Stephen Hawking Medal for Science Communication 2016).
Offizielle Filmseite (engl.):
www.particlefever.com/
Informationen zur CERN:
www.weltmaschine.de/
CERN Website (engl/frz.):
https://home.cern/