Filmemacher im CinéMayence: Jonas Mekas



Jonas Mekas im CinéMayence Jonas Mekas (24.11.1922 – 23.01.2019) war der 'Godfather' des Avantgarde-Kinos. Den Ausdruck Experimentalfilm lehnte er ab ("wir experimentieren nicht"). Seine eigenen Filme und die seiner Freunde bezeichnete er lieber als poetisches Kino und als "useless films"*. Neben seinen Filmen war sein größtes Verdienst die Gründung des Kinos und Archivs Anthology Film Archives in New York (1970).
Zuvor hatte er die Zeitschrift "Film Culture" und die New Yorker "Film-Makers’ Co-operative" (1962) mitgegründet, die mit Namen wie Stan Brakhage, Jack Smith, Gregory Markopoulos, Andy Warhol und vielen anderen verbunden ist.


Jonas Mekas im Salon des Institut français, Reinhard W. Wolf, Jonas Mekas, Toni Keim Am 2. und 3.5.1993 kam Jonas Mekas ins CinéMayence, wo er einige seiner Filme vorstellte und Erinnerungen an Mainz auffrischte.

Mainz war eine wichtige Station in seinem Leben. Jonas Mekas kam, nachdem er zusammen mit seinem Bruder Adolfas (ebenfalls Filmemacher und Literat) auf der Flucht vor der deutschen Besatzung seiner Heimat Litauen aufgegriffen wurde und 1944 in ein Zwangsarbeiterlager in Elmshorn deportiert wurde, in ein Displaced-Persons-Camp, eine Notunterkunft für Vertriebene, in Mainz-Kastel (die heutige Kaserne der Bereitschaftspolizei).
Von dort aus besuchte er regelmäßig – zu Fuß – Mainz und begann zusammen mit seinem Bruder an der Johannes-Gutenberg-Universität ein Philosophiestudium (1946-1948).

Jonas Mekas im CinéMayence Zu unserer Überraschung erzählte Jonas uns, er habe in Mainz das erste Mal einen Film in einem Kino gesehen! Er selbst begann erst in New York, wohin er mit Hilfe der UN-Flüchtlingshilfe ausreiste, mit dem Filmemachen. In der fraglichen (Nachkriegs-)Zeit versuchten die Behörden in der französischen Zone eine Filmindustrie zu etablieren und hat das Bureau du Cinéma (Zitadelle Mainz) Kinos wiedereröffnet und im Schönborner Hof einen Kinosaal für 16mm-Kulturfilme eingerichtet. Daher ist es durchaus möglich – Jonas konnte sich nicht mehr erinnern, dass es im gleichen Saal war, den wir heute nutzen dürfen und in dem er fast fünfzig Jahre später seine 16mm-Filme vorstellte!

Hintergrund:
Jonas Mekas war in Begleitung der Filmemacher Ute Aurand und Peter Sempel bei uns. Peter Sempel drehte damals mit ihm den Dokumentarfilm "Jonas in the Desert".

Fotos: Jonas Mekas im CinéMayence in der damaligen Ausstattung (16mm-Projektion auf einer Rollleinwand) und bei einem Empfang mit dem Kulturdezernenten der Stadt Mainz, Dr. Anton M. Keim, im Salon des Institut français. (© Yumi Machiguchi)

Siehe auch:
http://jonasmekas.com/diary
Anthology Film Archives
The Film-Makers’ Co-operative
Leseempfehlung: Anti-100 Years of Cinema Manifesto
Buchempfehlung: "I had nowhere to go"/"Ich hatte keinen Ort – Tagebücher 1944-1955", Jonas Mekas, Leipzig 2017, Spector Books

*useless films im Sinne von zweckfrei »... denn andere Zwecke, wie Belehrung, Reinigung, Besserung, Gelderwerb, Streben nach Ruhm und Ehre, gehen das Kunstwerk als solches nichts an und bestimmen nicht den Begriff desselben.« (aus: Vorlesungen über die Ästhetik I, G.W.F. Hegel)